You Are What You Eat

Im Januar nehmen seit 2014 über eine Million Menschen am Veganuary teil, indem sie sich einen Monat lang rein pflanzlich ernähren. Der positive Einfluss auf die Umwelt ist unbestritten. Doch wie steht es mit den gesundheitlichen Vorteilen einer pflanzenbasierten Ernährung? Die Netflix-Serie «You Are What You Eat: ­A Twin Experiment», die Anfang Januar 2024 erschienen ist, ist schnell zum Hit geworden. Sie hat aber auch Kritik hervorgerufen, weil die Serie die Resultate der Studie nur am Rande erklärt und stattdessen viel auf emotionales Storytelling setzt. In diesem Blog hinterziehe ich die Serie einem Faktencheck und zeige, was der aktuelle Stand der Wissenschaft ist.

Die Netflix-Serie

Die Netflix-Serie «You Are What You Eat: A Twin Experiment» begleitet vier der 22 Zwillingspaare, die an der Stanford Studie über den Effekt einer veganen Ernährung teilnehmen. Der Ernährungsforscher Christopher Gardner war an der Studie beteiligt und führt durch die Serie. Die Studie erforscht erstmals die Auswirkungen der Ernährung mit eineiigen Zwillingen.

«Identische Zwillinge sind das perfekte natürliche Experiment.»

Die vier Zwillingspaare bekommen für acht Wochen entweder eine gesunde omnivore Ernährung oder eine pflanzenbasierte zugeteilt. In den ersten vier Wochen bekommen sie sämtliche Mahlzeiten zugeschickt und danach sollen sie für weitere vier Wochen selbst ihr Essen zubereiten.

Die Serie thematisiert neben der Studie viele weitere Aspekte von pflanzenbasierter Ernährung:

  • Ethik: Ein Hühnerhalter erzählt kritisch über Massentierhaltung, Nachbarn haben negative Folgen von tierischen Abfällen von Schweinefarmen, regenerative Rindtierhaltung vs. Massentierhaltung, Antibiotikaresistenzen.
  • Geschichte: Entwicklung der amerikanischen Ernährung und demographische Unterschiede
  • Fitness: Muskelaufbau mit veganer Ernährung und Trainingsplan für die Zwillinge
  • Umwelt: Verschmutzung durch Tierhaltung, Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft insbesondere Tierhaltung, Abholzung des Regenwalds, Überfischung.
  • Gesundheit: Verarbeitete Lebensmittel, Krankheitserreger in Lebensmitteln (E.Coli & Salmonella in Poulet).

Die Resultate aus der Serie sind hochinteressant:

  • Tiefere LDL-Cholesterin Werte bei veganer Ernährung
  • Tiefere Insulinwerte und mehr Gewichtsverlust bei veganer Ernährung
  • Höhere sexuelle Erregung von Frauen (wurde bisher erst bei Männern erwiesen)
  • Verringerung der epigenetischen Altersbeschleunigung mit der veganen Ernährung
  • Gesundheit des Gehirns -> zeigte in 8 Wochen keine Veränderung
  • Darm-Mikrobiom: erhöhte Konzentrationen und mehr diverse Mikroben bei Veganer:innen

Die Stanford Studie

Die Serie zitiert immer wieder die Twin Nutrition Study. Eine Stanford Studie ist daraus bereits erschienen. Darin wurden tiefere LDL-Cholersterin Werte, Insulinwerte und höherer Gewichtsverlust in der Gruppe mit der veganen Ernährung erwiesen. Die restlichen Resultate aus der Serie sind in der Studie nicht thematisiert worden. Eine weitere Studie, die den epigenetischen Effekt der Ernährung (biologisches Alter) untersucht, belegt diese Resultate aus der Serie. Sie wurde aber noch nicht veröffentlicht und hat noch kein Peer-Review.

Die restlichen Resultate, die in der Serie zitiert werden, können wissenschaftlich nicht verifiziert werden. Insbesondere der Effekt auf die sexuelle Erregung von Frauen, das Darm-Mikrobiom und die genaue körperliche Zusammensetzung wird in der Studie nicht erwähnt.

Stand der Wissenschaft

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die führende Todesursache weltweit. Mehrere Studien konnten bereits belegen, dass die vegane Ernährung dazu beitragen kann, das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen zu senken, indem sie die Cholesterin- und Blutdruckwerte verbessert, Entzündungen verringert und den Blutzuckerspiegel kontrolliert. Jemand, der fünf Jahre lang eine pflanzliche Ernährung beibehält, könnte so eine 7-prozentige Verringerung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erzielen.

Viele Studien sprechen vom gleichen Effekt bei vegetarischer Ernährung, was die Folgerung nahelegt, dass die Effekte sich verstärken, je weniger tierische Produkte man konsumiert und man jeweils den maximalen Effekt bei einer rein pflanzlichen Ernährung sieht.

Wieder andere Studien kommen zum Schluss, dass vegane Ernährung Vorteile für das Herz-Kreislauf-System haben kann, aber noch ungenügend erforscht ist.

Eine Studie bestätigt, dass die Darmmikrobiota bei Veganer:innen vielfältiger sind, was ein gesundheitsfördernder Faktor ist.

Daraus lässt sich folgern:

  • Vegane Ernährung ist noch nicht ausreichend erforscht.
  • Pflanzenbasierte Ernährung wird mit besserer Gesundheit assoziiert, aber zeigt nicht unbedingt tiefere Mortalitätsraten.
  • Die Twin Nutrition Study ergänzt die bestehende Forschung: Indem an eineiigen Zwillingen geforscht wurde, konnten erstmals genetische und erzieherische Faktoren ausgeschlossen und dieselben positiven Effekte auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestätigt werden. Weil die vegane Ernährung in dieser klinischen Studie keine eigene Entscheidung war, konnte dieser Bias ebenfalls ausgeschlossen werden.

Kritik an der Serie

Die Kritik an der Netflix-Serie ist zum Teil gerechtfertigt. Die Serie erklärt die Resultate der Studie nur sehr kurz und sparsam. Stattdessen versucht sie alle möglichen Aspekte von veganer Ernährung abzuhandeln und verrennt sich dabei in den unterschiedlichsten Geschichten von Masttierhaltern bis veganen Käseherstellern.  Diese Geschichten machen die Serie sehr emotional. Meiner Meinung nach hätte die Serie sich besser auf die gesundheitlichen Aspekte fokussiert, statt alle Themen von veganer Ernährung abhandeln zu wollen.

Die wissenschaftlichen Resultate werden auf der individuellen Ebene der vier Zwillinge erklärt, obwohl wissenschaftlich gesehen quantitative Effekte von Gruppen interessanter und aussagekräftiger sind.  Zum Teil wirkt die Serie wie Werbung für ein Restaurant oder vegane Käse- und Fleischalternativenhersteller, was wiederum in der Wissenschaft keinen Platz haben sollte.  Die Serie versuchte nicht neutral zu argumentieren, weshalb sich viele an propagandistischen Elementen störten.

Aber auch die Kritik an der Serie war oft schlecht recherchiert und unfundiert.  Inhaltlich stimmen die Aussagen in der Serie, auch wenn Teile davon nicht der zitierten Studie entstammen, sondern anderen Quellen.

Fazit

Trotz aller Kritik ist die Serie ein wirkungsvolles Mittel, um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen. Nicht übertragbare Krankheiten und Klimawandel sind die wichtigsten globalen Gesundheitskrisen, die unsere Generation betreffen – und sie sind beide stark mit der Ernährung verknüpft. Treibhausgasemissionen einer veganen Ernährung sind ∼50% tiefer und brauchen auch weniger natürliche Ressourcen.

Eine Serie über eine bahnbrechende Studie über vegane Ernährung hätte mich aber mit einem wissenschaftlichen Fokus mehr überzeugt. Denn:

  • Als informierten Zuschauer fühlte man sich oft fehlgeleitet und Fragen über die Studie blieben unbeantwortet.
  • Die Kritik ist deshalb gerechtfertigt, weil viele Inhalte nicht mit der Studie belegt werden oder weil individuelle Resultate präsentiert werden, welche keinen wissenschaftlichen Anspruch haben.

Was bleibt, ist eigentlich ganz einfach:

You are what you eat, so eat less meat!

 

Quellen: